Satire: Der AKK-Zwerg in Münster und gefährliche Satire
Auszug aus dem Satire-Buch: Hotte-Hoppe-Heiter
Hotte plant einen frechen Zwerg aufzustellen
Hotte, ein braver Bürger Münsters und Hauseigentümer, war mit dem Fahrrad in die Stadt gefahren. Er wollte frische Luft schöpfen und sich Gedanken machen über einen weiteren Zwerg in seinem Garten. Ein neuer Polit-Star war in diesen Tagen am Berliner Himmel aufgegangen und Hotte fragte sich, ob er Annegret Kramp Karrenbauer, AKK genannt, eine kleine Frau mit einem langen Namen, in seinen Zwergen Garten aufnehmen sollte. Immerhin war die nun Vorsitzende von Deutschlands größter Partei, der CDU, und wurde als künftige Bundeskanzlerin gehandelt. Hotte plante mit ihr einen witzigen, vielleicht sogar frechen Zwerg in seinen Garten zu stellen. Oder sollte er sich aus dem Spiel der Mächtigen doch lieber heraushalten und lieber Märchen Zwerge in seinem Garten aufstellen. Es gab bislang zwei Ali Baba Zwerge in seinem Garten und das Märchen hieß Ali Baba und die tausend Räuber. Da war noch viel Luft nach oben.
Radfahren in Münster und klare Gedanken
Eine Fahrrad Fahrt in Münsters Innenstadt versprach da Klarheit. Die Pflastersteine auf dem Prinzipal Markt waren alt und holprig. Sie schüttelten und rüttelten die Radfahrer ordentlich durcheinander. Auch Fahrrad Händler schätzten den Prinzipal Markt. Er ließ die Fahrräder ordentlich klappern, war ein Härte-Test für jedes Rad. Nicht jedes Rad bestand diesen Test und auch Gedanken im Kopf wurden schon mal kräftig durchgeschüttelt.
Hotte umklammerte den Lenker seines Rades. Er spürte jeden Wirbel in seinem Rücken, der nun im Gegensatz zu seinem Rad auch nicht mehr der Jüngste war. Er kaufte sich jedes Jahr ein neues Rad. Er hatte das Geld dazu im Gegensatz zu seinen Mieter, die mittels ständig steigender Mieten diesen Luxus finanzierten.
Hotte hatte die neuen und alten Räder im Fahrrad-Keller platziert. Er hatte einmal von einem Guru gelesen, der sich von den Spenden seiner Anhänger viele Rolls Roys Wagen gekauft hatte und diese in der Wüste im Wüstensand geparkt hatte. Ihm zeige es die Liebe seiner Anhänger, hatte er erklärt. Den Rolls Roys Händlern zeigte es, dass reiche Menschen auch so ihre Macken haben.
Hottes Fahrrad Sammlung im viel zu kleinen Keller zeigte ihm seine Machtposition. Auch seine Mieter werteten die Sammlung seiner Räder so. Hotte lächelte bei Begegnungen mit seinen Mietern vergnügt und spitzbübisch, fand er. Andere sahen ihn eher verkrampft grienen und vermuteten nervliche Probleme bei ihm. Da Hotte aber der Vermieter war, traute sich keiner, ihm das zu sagen.
Hotte gehörte zu Münsters Stadt-Adel, den so genannten Paohl-Bürgern. Das waren Münsters erste Siedler gewesen, als Münster noch eine Siedlung in einem sumpfigen Tal gewesen war. Damals hatte man die Hütten auf in die Erde gerammte Eichen-Pfähle gestellt. Diese Pfähle nannte man damals „Paohls“. Der Vorteil: die Häuser konnten nicht einsinken. Spätere Gebäude, wie der Dom, die Universität und die Häuser des Prinzipal Marktes waren so auch gesichert worden. Wer seine Ahnenreihe bis hin in diese Hütten zurückführen konnte, durfte sich einen Paohl-Bürger nennen. Hotte konnte das. Manche behaupteten, das könne man auch sehen. Auch er habe das Mecker-Gesicht der Erst-Siedler, die in diesen alten Tagen von Mückenschwärmen und Ratten geplagt worden waren.
Hotte hatte sich ordentlich durchgeschüttelt gefühlt, als er vom Prinzipal Markt abbog in Richtung Lamberti Kirche. Ihm wurde immer ganz schummrig wohlig im Gemüt, wenn der durch diese ehemalige Sumpfgegend fuhr.
Münster Beamter Günter K. tut Buße wegen aufrührerischer Gedanken
Um den Lamberti Brunnen vor der Kirche hatte sich eine Menschenmenge versammelt und starrte auf einen älteren Herrn im gelb schwarzen Trainings Anzug. Es war Günter K., Führungskraft in einer der zahlreichen Verwaltungen Münsters, in seinem aktuellen Dienstanzug. Gelb-Schwarz stand für die aktuelle Landesregierung aus Konservativen (Farbe Schwarz) und Liberalen (Farbe Gelb). Als loyaler Beamter hatte Günter K. sich für einen Anzug in diesen Farben entschieden. Die normalen Anzüge in dieser Farbkombination waren schon Stunden nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses in Münster ausverkauft gewesen.
Günter K. war noch in einem Sportgeschäft fündig geworden. Es handelte sich bei ihm auch um einen Anzug, allerdings einen Trainings Anzug in den Farben des BVB, einem Fußballverein aus Dortmund. Das hatte ihm in Münster bereits Ärger und Spott eingetragen, war doch Preußen Münster der in Münster angesagte Fußballverein. Auf dessen Wappen gab es einen Adler zu sehen in Schwarz.
„Günter“, rief Hotte entsetzt, „was machen Sie denn da?“ Beide kannten sich lange. Plumpe Vertraulichkeiten, wie das „Du“ mit Bürgern lehnte Güter K. aber aus Prinzip ab. Günter K. zog den Kopf aus dem Wasser und schüttelte sich wie ein nasser Pudel. Seine Brille flog dabei durch die Gegend, Hotte brachte sie ihm. „Ich kühle mein Mütchen“, entgegnete Günter K. würdevoll. „Im Angesicht des Lamberti-Zwingers strafe ich mich für aufrührerische Gedanken, die eines Staatsdieners unwürdig sind“. Hotte reichte Günter K. ein Taschentuch zum Abtrocknen des Kopfes und schlug vor, im Dom Café einen Cappuccino zu trinken. Das helfe immer.
Günter K. nahm sein Fahrrad an die Hand und begleitete Hotte zum Dom Café. Bei einem Cappuccino gestand ihm Günter K. sein Vergehen. Er hatte die staatliche Macht in Frage gestellt. Er hatte gewagt, darüber nachzudenken, ob die Quadratmeter Zahl seines Büros im Verhältnis zur Bedeutung seiner Arbeit und im Vergleich zur Quadratmeter Zahl des Büros seines Chefs im Verhältnis zur Bedeutung dessen Arbeit, nicht zu klein sei. Günter K. deutete mit der Hand in Richtung Lamberti Kirche. “Sehen Sie diese Zwinger“, rief er und sein Körper zitterte im Schock Zustand. „Sehen Sie, wohin das führt, wenn man in Münster die Macht in Frage stellt.“ Er beantwortete sich diese Frage selbst: „ In den Tod führt das“, jammerte er.
Der Wiedertäufer Mord, eine Warnung an alle Freigeister
Hotte erinnerte sich an den Heimat-Kunde Unterricht in der Schule. Der Lehrer hatte erklärt, die Wiedertäufer, selbstbewusste Bürger Münsters, hätten im Mittelalter, so um 1530 herum, den Aufstand gegen den lieben Gott und den katholischen Bischof von Münster gewagt. Dafür habe man drei von ihnen zum Tode verurteilt und auf dem Prinzipal Mark vor der Lamberti Kirche öffentlich hingerichtet. Man habe ihnen mit glühenden Zangen die Zungen herausgerissen, ihre Körper zerfetzt und sie nach vier Stunden Folter erdolcht. Ihre Leichen wurden in eisernen Körben am Turm der Lamberti Kirche aufgehängt. Im Todesteil habe es geheißen, „ dass sie allen unruhigen Geistern zur Warnung dienten, dass sie nicht etwas Ähnliches in Zukunft versuchten oder wagten.“
Hotte hatte als Kind einige Nächte nicht gut schlafen können und sich damals geschworen, so nie enden zu wollen. Er war katholisch, nicht evangelisch wie die Wiedertäufer und wollte das bleiben. Er hatte sogar beim Pastor angerufen und gefragt, ob man Garten Zwerge auch katholisch taufen könne. Der Pastor hatte ihm erklärt, er segne gerne Autos und warum nicht auch Garten Zwerge. Man müsse sich nur auf den Taufpreis pro Zwerg einigen. Ein Auto-Segen koste zwanzig Euro. Hotte hatte versprochen, wieder anzurufen, aber Irene hatte erklärt, die Zwerge seien im Hausrat mitversichert. Er müsse nur abends die Gartentür immer abschließen. Hotte hatte das ihr und den Zwergen feierlich versprochen.
Günter K., ein Revolutionär mit gesicherter Rente
Günter K. hatte sich nach einem weiteren Cappuccino so weit beruhigt, dass er wieder ohne Zittern sprechen konnte. Er hatte seine spöttisch, distanzierte Ruhe wiedergefunden, die er an sich so liebte. Er nannte sich dann gerne einen Revolutionär mit gesicherter Rente. Gerne auch mal einen Fidel Castro des Münsterlandes.
Er habe nichts gegen frische Luft, führte Günter K. nun ein wenig spöttisch aus, aber in Käfigen vergammeln, sei nicht drin. Sein Balkon sei ihm heilig. Er nannte diesen seine Loggia, weil der Balkon überdacht war. In seiner Loggia starre er in Sommer Nächten gerne in den Himmel und nach einer Flasche guten Rotweins fühlte er manchmal das Wasser Venedigs unter seinen Füßen rauschen. Manchmal hatte er sogar den Eindruck, auf einer Gondel durch den Abend Himmel Venedigs zu schippern. Dann hatte er meist zwei Flaschen Wein getrunken. Nach Italien zu reisen, habe er nicht vor, pflegte er zu sagen. Er möge dieses liederliche Volk nicht und schon gar nicht die Sprache. Die klinge wie Musik und wer könne schon den ganzen Tag Musik ertragen.
Günter K. rät dringend von Satiren ab
Hotte war beeindruckt von der stramm nationalen Gesinnung Günter Ks. Der schien ihm geeignet, seinen gedanklichen Entwurf in Sachen AKK-Zwerg zu bewerten. Und so berichtete er von seinem Plan, Annegret Kamp Karrenbauer, die vielleicht nächste Kanzlerin Deutschlands, in seine Garten-Zwerg Sammlung aufzunehmen, künstlerisch verfremdet und ironisch dargestellt. Güter K. hatte Hotte entsetzt angeschaut und war dann aufgesprungen. Er hatte sich einen Tisch weiter gesetzt und von dort aus, hinter der Speisekarte versteckt, das Gespräch mit Hotte fortgesetzt. Ob er wahnsinnig geworden sei, hatte der Hotte angezischt. Um ein origineller Witzbold zu sein, müsse man über eine genügende materielle Absicherung verfügen. Ansonsten solle man sich eher der Witze bedienen, die von der Obrigkeit kämen. Er zum Beispiel schreibe sich jeden Witz, den sein Chef mache, sofort auf, und erzähle seinem Chef diesen dann zwei Tage später als einen Witz, den ihm der Chef seines Chefs erzählt habe. Sein Chef sei dann jedes Mal sehr gerührt und freue sich darüber, mental im Main Stream zu schwimmen, geistig so ganz auf Linie zu sein. So gehe witzig in Münster.
Hotte hingegen bewege sich auf dem gefährlichen Pfad des anarchistischen Satirikers. Ob er wisse, wie viele von Deutschlands bekanntesten Satirikern das Rentenalter erreicht hätten und wer zusätzlich in den Genuss einer Rente gekommen sei, hatte er Hotte mit bohrendem Blick gefragt.
Heinrich Heine sei mit knapp sechzig Jahren im Pariser Exil in Armut gestorben. Carl von Ossietzky sei mit neunundvierzig Jahren an den Folgen eines KZ-Aufenthaltes verstorben. Kurt Tucholsky habe sich mit fünfundvierzig Jahren im Exil in Schweden das Leben genommen. Die drei wären heute vielleicht über die Künstler-und Sozialkasse rententechnisch versorgt gewesen. Aber sie alle wären damals nicht in den Genuss einer Rente gekommen. Und mit beinahe drohendem Blick hatte Günter K. dann Helmut Hottrecke, den alle Hotte nannten, gefragt, ob sein Vorhaben schlau sei. Ob er sich mit denen da oben anlegen wolle. Ob er sich, seiner Frau Irene und seinen getreuen Zwergen im Garten, Acht und Bann antuen wolle. Oder ob er nicht doch eher, das stille Glück des braven Bürgers genießen wolle, mit sich und seinen Lieben im Frieden.
Hotte hatte einen kleinen Schüttelfrost bekommen und mit weinerlicher Stimme gefragt, was er denn zum solle. Er habe von Zeit zu Zeit diese Gedanken und fühle sich dann eher als Künstler. Seine Ehefrau Irene, pflege dann zu sagen, er solle sich in seinem Garten in eine stille Ecke setzen und warten, bis der Anfall vorbei sei. Das Denken solle er lieber den Pferden überlassen, die hätten einen größeren Kopf als er. Das habe ihr schon ihr Vater gepredigt und eingebläut. Sie hatte sich dabei auf den Hintern geklopft und erklärt, das habe ihr nicht geschadet.
Nach kurzer Beratung waren Hotte und Günter K. dann zum Lamberti Brunnen geeilt und Hotte hatte seinen Kopf extra lang in den Brunnen getaucht. Günter K. hatte ihn dabei unterstützt. Er hatte mit der einen Hand Hottes Kopf unter Wasser gepresst, auch als der schon mit den Händen zappelte. Mit der anderen Hand hatte Günter K. diesen Beweis tätiger Reue mit seinem Handy gefilmt.
Das Video hatte er dann Hotte auf dessen Handy überspielt und Hotte hatte es umgehend der Polizei zugestellt. Er hatte zum Video hinzugefügt, er werde von nun an AKK in sein Abend Gebet einschließen und zur Buße eine Woche lang jeden Tag seinen Kopf zehn Minuten unter eiskaltes Wasser halten.
Günter K. hatte erklärt, so habe Hotte gute Chancen, weiterhin in Münster gesund und munter Rad zu fahren.