Satire: Zwergenglück im Schrebergarten

Ausschnitt aus dem Satire-Buch:

Der Anschlag der Bahn-Rowdies auf den Zwergengarten

Vermieter Hotte hatte sich neue Visitenkarten drucken lassen. „Helmut Hottrecke – Garten Design und Zwergen Kunst“ stand auf hellgrünen Karten. An den Ecken der Karten winkten bunte Garten-Zwerge. Und genau um die machte er sich große Sorgen. Die Zwerge waren angegriffen worden. Er müsse raus aus Aggro City Münster, hatte er seiner Frau Irene erklärt. Er müsse seine geliebten Zwerge vor aggressivem Bahn-Mobb schützen.

Erst gestern war am späten Nachmittag ein Zug mit betrunkenen Fußball-Fans an seinem Garten vorbeigefahren. Die Fans hatten mit Bierflaschen nach den Zwergen in seinem Garten geworfen. Zwei Zwerge des Ensembles „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ waren schwer angeschlagen. Einer hatte den Kopf verloren, dem anderen fehlte ein Arm. Hotte hatte Rache geschworen und erklärt, er sei bereit, dem nächsten Bahn-Rowdy das Licht auszupusten. Das hatte er seiner Frau Irene und den versammelten Zwergen-Freunden in seinem Garten geschworen. Die deutsche Kultur sei wieder einmal geschändet worden, hatte er mit grollender Stimme erklärt.

Als Hotte am nächsten Morgen auf der Veranda seines Hauses mit Blick auf den Zwergen-Garten Platz genommen hatte, war ein Zug an seinem Garten vorbeigefahren. Hotte war aufgesprungen und hatte das Jagdgewehr in Anschlag gebracht.  Es war ein Schnellzug gewesen mit verschlossen Fenstern. Hotte hatte einen Warnschuss über den Zug gefeuert. „Mit mir nicht, ihr Feiglinge“, hatte er dem Zug hinterhergerufen und sich erst einmal ein Frühstück genehmigt.

Hottes Enkel unter dem Einfluss linker Kita-Terroristen-Erzieherinnen?  

Er hatte ein Vollkorn-Dinkel Brötchen gegessen und einen Kaffee aus der Kaffeedose „Fair Trade Kaffee“ getrunken. Die Kaffeedose war das Weihnachtsgeschenk seiner Enkel. In der Kita hatten die Erzieherinnen die Kinder bei den Weihnachtsgeschenken für zu Hause beraten. Sie könnten mit ihren Weihnachtsgeschenken viel Licht in die Hütten der armen Kaffee-Bauern Kolumbiens bringen, hatten sie Hottes Enkel erzählt. Der Kauf von „Fair Trade Kaffee“ helfe den Bauern dort und verschaffe denen ein frohes Weihnachtsfest. Hotte hatte auf selbst gebastelte Weihnachtssterne aus Stroh gehofft. Solche hatte er als Kind damals für seine Eltern gebastelt. Das sei Tradition und gut so, fand er.

Dann hatten alle Kita-Kinder Blechdosen mit der Fahne Kolumbiens bemalt und mit braunen Kaffeebohnen und roten Sternen. Hotte hatte bei seinem Anwalt Dr. Theodor von Torf angerufen und geklagt, dass er sich über diese Gehirnwäsche an seinen Enkeln zu Weihnachten noch habe freuen müssen. So habe die strenge Ansage seiner Frau Irene und der Eltern seiner Enkel gelautet.

„Furchtbar“, hatte Hotte nach der ersten Tasse des bitteren „Fair-Trade- Öko-Kaffee“ gebrüllt. Er hatte die Blech-Büchse behalten, den Bio-Kaffee aber gegen magen- freundlichen Kaffee ausgetauscht. Die Enkel freuten sich immer, wenn sie ihre liebevoll bemalte Kaffeedose in Hottes Küche sahen. Hotte traute sich nicht, die Dose wegzuwerfen, obwohl ihr Anblick jedes Mal die Säure in seinem Magen verstärkte.   

Seine Frau Irene servierte in ihrem Fuß-Studio unten im Keller manchmal ihren Kunden eine Tasse vom original bitteren „Fair-Trade-Bio-Kaffee“. Ein weiteres Mal wollte keiner davon trinken, selbst die hart gesottenen Wolga Deutschen nicht, die Irene gerne Wodka Deutsche nannte. Irene hatte eine Zusatz-Ausbildung als „Fußpflegerin für Diabetes“ gemacht. Ihre Freunde nannten sie seitdem die Fuß-Doktorin. Wodka und fettes Essen, dann Diabetes und kranke Füße waren ein fataler Zeitablauf im Leben vieler Wodka aber auch Whisky Freunde und ein einträgliches Geschäft für Irene, die Fuß-Doktorin.

Die Suche nach Erdenglück im Zwergenglück

Dann hatte einer von Irenes Kunden, der Waldemar, von seinen wunderbaren Tagen im Schrebergarten-Verein „Zwergenglück“ erzählt. Es sei dort fast so schön wie früher in der Datscha zu Hause in Russland. Und er habe in seiner Datscha auch Zwerge, einen Donkosaken Chor. Und er wisse von einem Garten in der Nachbarschaft, der bald frei werde. Dieser Garten sei eine Perle des Zwergenglück-Vereins. Zu vergeben sei dieses feste Haus mit Marmorboden, einem festen Ziegeldach und einer überdachten Veranda zum Ende des Jahres. Hotte könne gerne auf einen Kaffee vorbeikommen und sich alles anschauen.

Irene hatte Ehemann Hotte abends davon erzählt und der war ganz angetan gewesen. Er hatte sich im Internet einige Fotos des Schrebergartens angesehen und in Gedanken bereits seine Zwerge im Garten verteilt. Er hatte nachts von einem Goldfisch-Teich im neuen Garten geträumt und hohen Dornen-Hecken um den Garten herum, wie im Dornröschen Märchen. Da hatte auch kein Unbefugter reingekonnt. Hotte hatte selig entspannt geschlafen.

Die Begegnung mit der Garten-Königin

Am nächsten Tag war Hotte mit dem Rad in den Kleingarten Verein „Zwergenglück“ gefahren, ein Fläschchen Wodka und eine Salami Wurst im Rucksack. Er war begeistert gewesen von Waldemars Garten und dessen Zwergen- Donkosaken Chor. Nach einigen Gläschen Wodka hatte er mit seinem Gastgeber russische und deutsche Volkslieder gesungen. Einige Freunde aus den Gärten ringsum waren hinzugekommen und bald hatte Hotte den Eindruck, dass auch die Donkosaken Zwerge lauthals mitsangen. Hohe Hecken rund um den Garten hatten ihm das Gefühl von Geborgenheit vermittelt.

Dann war das Fest der Garten Freunde brutal gestoppt worden. Auf dem Weg vor dem Garten hatte eine hagere Frau mit einem Megafon und scharfer Stimme „Disziplin und Ruhe“ verlangt. Die Frau war hager und hatte blond-graue Haare, die zu einem Dutt zusammengebunden waren. Durch die Haare hatte sie lange Stricknadeln gesteckt, die an den Enden glänzten und mit bunten Steinen besetzt waren. Irgendwie ähnelte das Ganze einer Krone.

Waldemar war nach vorne an das Gartentor gestolpert und war in die Knie gesunken. „Fregina, meine Vorsitzende und Königin meines Herzens“ hatte er gejammert, „was haben wir Schlimmes getan?“ Danach war ein fetter Rülpser seiner Kehle entronnen. Wodka und Salami hatten ihre Wirkung getan.

„Nix meine Königin“, hatte die grau-blonde Bohnenstange gefaucht. Sie werde ihm jetzt Beine machen. Viel zu lange hätten sie und der Vorstand dem Schlendrian in seinem Garten zugeschaut. Fünf Dinge und vielleicht noch mehr habe sie ihm mitzuteilen und die möge er sich hinter die Löffel schreiben. Bis zum Ende des Monats sei die Hecke auf hundertundvierzig Zentimeter zurück zu schneiden, sonst mache das die Zwergenglück-Garten-Truppe namens „Zack Zack“ und das werde teuer.

Dann müsse er seinen Garten umbauen. Gemüse, Obstfläche und Rasen hätten je zu einem Drittel den Garten zu bedecken. Wer hier Mitglied sei, der habe Freude an Grün, bunten Blumen, Obst und Gemüse und Gemeinschaftsleben. So stehe es auch im Internet-Auftritt des Vereins auf Seite eins. Sie habe den Eindruck, dass in seinem Garten nur Kartoffeln angebaut würden. In Garten gehe das Gerücht um, dass er daraus einen hochprozentigen Wodka namens Waldemar herstelle.

Dann erinnere sie an den Beschluss des Vorstandes von vor zwei Jahren, die neue Rahmenkleingartenverordnung vom 1.1.2020 energisch durchzusetzen. Demnach seien sämtliche Nadelgehölze und Koniferen Arten im Kleingarten verboten. Koniferen versauerten den Boden und Koniferen seien Wirte des Birnenrost-Pilzes, der wiederum die Birnenbäume schädige. Das Ultimatum des Zwergenglück-Vorstandes laute, dass bis zum Jahresende alle Koniferen von den Grundstücken im „Zwergenglück“ zu verschwinden hätten. Einer müsse gehen, die Koniferen oder der Pächter.

Waldemars Koniferen hätten außerdem die unglaubliche Höhe von zwei Metern erreicht. Kein Mensch könne von außen hinter die Koniferen schauen und das sei nicht gut so. Der ordentliche Gärtner des Zwergenglücks verstecke sich nicht hinter hohen Hecken und Koniferen. Dieser Gärtner zeige stolz seine Freude an Grün, bunten Blumen, Obst und Gemüse und Gemeinschaftsleben und lasse sich dabei gerne zusehen.

Und bei der Garten-Gemeinschafts-Arbeit habe man ihn, den Waldemar, auch lange nicht mehr gesehen. Sie erwarte ihn nächsten Samstag um sieben in der Früh mit dem Spaten über der Schulter vor dem Vereinsheim.

In Bälde sei der „Tag des offenen Gartens“. Bis dahin müsse er sein Tor mit Namen und Vorname und der Garten-Nummer beschriften. Er könne zwischen folgenden Besuchszeiten für seine Gäste wählen. Bringe er einen gelben Luftballon an seinem Garten-Tor an, hieße das, er stehe seinen Gästen in der Zeit von neun bis elf Uhr morgens zu Verfügung. Befestige er einen lila Luftballon am Garten Tor, hieße das, er zeige seinen Besuchern seinen bis dahin Tip-Top-Garten zwischen elf und dreizehn Uhr. Und sie wolle kein dummes Gerede hören über „schwule Farben“. Der Kinder Ausschuss des Vereins habe diese Farben ausgesucht.

Bis zum „Tag des offenen Gartens“ müsse auch der Teich mit den übergroßen Fischen verschwunden sein. Oder wolle er verantwortlich dafür sein, wenn Katzen in diesem fauligen Gewässer ertränken oder gar Kinder? Auch für die unter Naturschutz stehenden Fischreiher sei der Tümpel gefährlich. Sie drohten an Waldemars über- dimensionierten Fischen zu ersticken. Japanische Kois hätten im deutschen Kleingarten nichts zu suchen.

Mit einem lauten „frohes Schaffen, mein Gartenfreund“, hatte sie sich per Megafon verabschiedet.

Hotte und der geplatzte  Traum von der heilen Welt im Schrebergarten

Hotte hatte mühsam mit dem Rad den Weg nach Hause geschafft. Die meiste Strecke war er zu Fuß gelaufen, schwankend und auf das Rad gestützt. Tags drauf hatte er lange aber vergeblich im Internet nach einer Maschinen Pistole für den legalen Hausgebrauch gesucht. Mit Tränen in der Stimme hatte er Irene dann erklärt, er werde seine Zwerge zu Hause in Münster-City lassen und hier das deutsche Kulturgut mit seiner Flinte verteidigen. Auf keinen Fall werde er sich unter die Fuchtel der grausamen Garten-Königin im „Zwergenglück“ begeben. So ein Schrebergarten erscheine ihm mehr und mehr als eine Art Strafkolonie. In seinem Mietshaus sei er der Chef und das sei gut so.