Satire: Der germanische Lieder-Abend und der dicke Ferdi

Ausschnitt aus der Satire Sammlung: Neues aus dem „Strammen Max“ und dem „Hanf-Nest“

Das Sommersonnenfest und Germanen-Lieder

Man müsse am geplanten Sommersonnenfest germanische Lieder singen, hatte Bruno Wotan gefordert. Fiffi Führer vom Roten Kreuz hatte heftig genickt. Er fände das alte deutsche Volkslied ganz toll, „Heil Führer Dir“. Das sei ein altes Nazi- Lied, hatte der scharfe Rudi mit finsterer Mine erklärt und das sei Mist. Ohne diese Nazi-Scheiße besäße er jetzt ein Schloss mit viel Land in Breslau. Heute hieße der Ort Wroclaw und liege in Polen. Er heiße eigentlich Fürst Rudi von Breslau, aber dank Adolf Hitler und des verlorenen Krieges sei er nun Postbeamter und nicht Schloss-Herr und Großgrundbesitzer. Das Schloss und die Ländereien ringsum hätten die Polen nach dem zweiten Weltkrieg enteignet.  Sein Opa, der alte Fürst Rudi, sei ein Ober-Nazi gewesen und nach dem Krieg nach Berlin geflohen.

Fiffi Führer hatte den scharfen Rudi oder Fürst Rudi von Breslau beleidigt angesehen. Der Führer sei nicht an allem schuld gewesen. Hitler sei von seinen Generälen verraten worden. Adolf Hitler sei der größte Feldherr aller Zeiten gewesen. Deutschland brauche jetzt wieder einen Führer und er, Friedrich Fittner, von vielen bereits Fiffi Führer genannt, stehe bereit. Er solle sich bequem hinsetzen, hatte ihm Rudi grinsend geraten. Es könne noch länger dauern, bis das deutsche Volk wieder nach einem Führer rufe.

Er ginge hier um germanische Lieder, um deutsches Liedgut, hatte Bruno gerufen, nicht um alte Schlösser und verlorene Kriege. Die Mannen des „Strammen Max“ müssten jetzt gute alte Volkslieder einüben. Lieder, wie er sie in seiner Volksschule vor langer Zeit gelernt habe. Eines seiner Lieblings-Lieder von damals hieße, „Hejo, spann den Wagen an, denn der Wind treibt Regen übers Land!  Hol die goldnen Garben, hol die goldnen Garben!“ Dieses Lied könne man auch gut dreistimmig singen. „Regen“, hatte ihn Adolf Willwoll angefahren. Ob er nicht ganz sauber ticke. Beim letzten Starkregen sei seine Tiefgarage vollgelaufen. Sein Auto, im Übrigen ein goldener Ford, sei nun hin. Dieses Lied werde er ganz bestimmt nicht singen.

„Am Brunnen vor dem Tore“ und Hasch-Blätter

 Oder man sänge das schöne Volkslied, „Am Brunnen vor dem Tore“, hatte Bruno Wotan vorgeschlagen und seinen Germanen Helm zurechtgerückt. Dort hieße es so schön, „Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum. Ich träumt in seinem Schatten, so manchen süßen Traum.“ Kneipen Wirt Erwin hatte die Faust auf die Theke gehauen und gebrüllt, in seiner Kneipe, dem „Strammen Max“, würden keine Hasch-Lieder gesungen und irgendwelche Bäume und Blätter bejubelt. Bei ihm könne man sich nur ehrlich und nach deutscher Art besaufen. Wer unter Lindenbäumen träumen wolle, der solle nach gegenüber gehen ins „Hanf Nest.“ Da könne man wahrscheinlich Blätter von Lindenbäumen kaufen und in der Pfeife rauchen. Bei ihm hauten sich die Germanen mit Berliner Wotan Brause vom Hocker.

Der dick-dumme Ferdi und Grüne, die Germanen-Kinder essen

Der dicke Ferdi hatte gefordert, man solle die deutsche Nationalhymne singen, selbstverständlich die verbotene erste Strophe. „Deutschland, Deutschland über alles“ hatte er geschrien und hatte dabei den rechten Arm nach vorne gestreckt. Der dicke Ferdi trug immer schwarz-rot-gold, soweit möglich. T-Shirt und Pullover in maximaler Übergröße waren im gestreiften schwarz-rot-gold. Der dicke Ferdi war sehr beleibt. Wenn er die Treppen zum „Strammen Max“ herunterging, stöhnte er ganz furchtbar. Er müsse abnehmen, hatte Bruno Wotan mehrmals gefordert. Sonst dürfe er beim Sommersonnenwende Fest nicht mitmarschieren.  Bei den Galliern habe es einmal einen super-dicken Volkshelden namens Obelix gegeben. Germanen aber seien blond, blauäugig und sportlich.

Der dicke Ferdi hatte die Zahl 1871 auf seinem Arm tätowiert, selbstverständlich in schwarz-rot-gold. Er sei ein Reichsbürger, hatte er Bruno Wotan erklärt. Deutschland brauche wieder einen Kaiser, wie im Jahre 1871, und einen starken Schutz für Germanen-Kinder. Er wisse aus sicherer Quelle, dass linke Anarchisten, Grüne und Freidenker, Germanen-Kinder missbrauchen und essen würden. Auch die Leute vom „Hanf Nest“ gegenüber stünden bei ihm unter Verdacht. Er solle nicht so einen Scheiß erzählen, hatte ihn der scharfe Rudi des Öfteren angezischt. Ob er da irgendwas beweisen könne. Das sei übelste Nachrede und er wolle sich nur wichtig machen. Das könne ihn im Übrigen teuer zu stehen kommen. Er müsse so einen Mist beweisen können, sonst sei er dran. Der scharfe Rudi hatte eine heimliche Affäre mit einer Kellnerin aus dem „Hanf Nest“ und die hatte zwei Kinder, die er sehr mochte. Der dicke Ferdi und er standen auf Kriegsfuß.

Der dicke Ferdi solle liebe den Auspuff an seinem Moped reparieren, hatte Rudi erklärt. Ferdi hatte ein Loch in den Auspuff seines Mopeds gebohrt. Er träumte davon, eine Harley-Davidson zu fahren, war aber dreimal durch die Führerschein-Prüfung gefallen. Wenn er mit seinem führerscheinfreien Moped durch die Gegend knatterte, klang sein Moped zu mindestens so, als fahre er ein schweres Motorrad.

Der dicke Ferdi saß gerne auf dem Barhocker im „Strammen Max“ oder auf seinem Balkon zu Hause und verdächtigte. Am liebsten verdächtigte er Grüne. Er führte über alle Grüne Parteimitgliedern oder Sympathisanten in seiner Nachbarschaft emsig ein Tratsch-Tagebuch. Er saß gerne auf seinem Balkon auf einem durchgesessenen Sofa in schwarz-rot-gold und schwadronierte. Eltern mit Kindern informierte er gerne über Grüne Machenschaften, bis die Eltern nicht mehr wussten, ob der dicke Ferdi eine Macke hatte oder seine Grünen Nachbarn. Er sei einsam, hatte seine Vermieterin erklärt und mache sich deshalb wichtig.

Ferdi hatte im Fernseher gehört, dass Flüchtlinge in den USA Katzen, Hunde und sonstige Haustiere klauten und in die Pfanne hauten. So jedenfalls behauptete es Donald Trump, den Ferdi toll fand. Das machten die Flüchtlinge in Deutschland auch, hatte er am Tresen im „Strammen Max“ erklärt. Er informierte seither Hunde- und Katzen-Besitzer in seiner Nachbarschaft über Flüchtlinge in der Nähe und Grüne. Als eine Nachbarin vor kurzem ihre Katze vermisst hatte, war sie auf sein Anraten hin in die Wohnung einiger Grünen und Flüchtlinge eingebrochen, um ihre geliebte Freigänger-Katze zu retten. Dabei war sie einige Male erwischt worden. Die Katze hatte sich einige Tage Freigang gegönnt und war dann entspannt wieder aufgetaucht. Auf die Nachbarin wartete nun ein Prozess wegen Serien-Einbruchs. Ferdi hatte nur mit den Schultern gezuckt und erklärt, er helfe immer gerne, wenn Deutsche in Not seien.